Friedrich Dönhoff / Irene Bauer (Hg.)
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2009.
304 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783455501186
Klug und einfühlsam ausgewählt von Irene Bauer, ihrer langjährigen Sekretärin, und ihrem Großneffen Friedrich Dönhoff, beide Vorstandsmitglieder der Marion Dönhoff-Stiftung, präsentiert die hier vorgestellte Publikation das Leben der Marion Gräfin Dönhoff dem Leser anhand von Tagebuchaufzeichnungen und Briefen. Zeitliche Abstände zwischen den Aufzeichnungen oder markanten Anlässen der Briefe kommentierten die Herausgeber sparsam und zurückhaltend, jedoch präzise und informativ. Zusätzlich ist das Buch auch noch mit Bildern aus ihrem Leben und einer ausführlichen Zeittafel ausgestattet.
Von der Romreise als Belohnung für das Abitur, über das Studium in Basel und der Absicht, über Marx zu promovieren, die sie sich aber leicht ausreden lässt zugunsten des Themas über die Entstehung des östlichen Großgrundbesitzes von der Ordenszeit bis zur Bauernbefreiung reichen die Stationen. Weiter geht es über die Reisen in ihrem Cabrio mit Schwester Yvonne in die baltischen Staaten und in das südliche Europa, bis hin zur Safari in Afrika anlässlich eines Besuches bei ihrem Bruder in Kenia.
In diesen Tagebuchaufzeichnungen beeindrucken Dönhoffs unabhängiges Urteil fernab von normalen Reiseberichten und ihre Neugierde auf Land und Menschen. Immer wieder fällt ihre Liebe zur Natur und ihr unprätentiöses Auftreten auf. Natürlich fehlen auch nicht die Aufzeichnungen über die Schicksalsschläge während der Nazizeit: Ihr Lieblingsbruder stirbt bei einem Flugzugabsturz als Soldat in Russland, ihr Neffe kommt, genau wie andere Freunde, nicht mehr aus dem Krieg zurück. Dann der berühmte Fluchtritt aus Ostpreußen vor den anrückenden russischen Truppen bis ins Westfälische, der Verlust der Heimat, des Schlosses Friedrichsstein, und der Tod der Freunde um die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944. Auch die Karriere in der Nachkriegszeit, die Bekanntschaft und oft auch Freundschaft mit Politikern, Wissenschaftlern, Künstlern wie Kissinger, Georg F. Kennan, Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Carl Jakob Burckhardt, Michael Gorbatschow, Lew Kopelew und anderen. All das erfährt der Leser in den Aufzeichnungen und Briefen. Dabei werden auch unangenehme Fakten nicht ausgespart. So ist ihre Antwort auf die Anfrage des Spiegels wegen der NSDAP-Mitgliedschaft ihres Bruders Christoph abgedruckt, in der sie seine Begeisterung für die Nazis bestätigt, ebenso die Sympathie des Bruders für die Apartheid, als er in Südafrika lebte. Obwohl dieser Fakt bisher ein Tabu war, beschönigte Dönhoff hier nichts.
(literaturkritik.de, 15. 3. 2010)