Die Schlösser der Familie zu Dohna in Ostpreußen, vor allem Schlobitten, Schlodien, Finckenstein, Reichertswalde und Carwinden, gehörten zu den kulturellen Höhepunkten der adligen Herbergen in dieser östlichen Provinz. Vor nicht allzu langer Zeit erschienen bereits die Bücher “Waldburg – Capustigall” von Hans Graf zu Dohna und “Die Dohnas und ihre Häuser” von Lothar Graf zu Dohna. Nun erweitert Torsten Foelsch diese Reihe um die Schlösser in Schlodien und Carwinden, wobei das eine Ruine und das andere verschwunden ist.
Obwohl nahezu die gesamte Ausstattung der Schlösser und die meisten Teile der Archive zerstört oder als Kriegsbeute abtransportiert worden sind, konnte Torsten Foelsch immer noch etliche Details aus den in Polen und Deutschland verstreuten Unterlagen zusammen tragen. Zur Familie zu Dohna und zu ehemaligen Gutsangestellten oder deren Nachfahren konnte er so gute Kontakte herstellen, dass ihm eine Fülle von Fotografien und Dokumenten sowie Augenzeugenberichte zur Verfügung gestellt wurden. Alles dieses hat er zu einer bemerkenswerten Gesamtschau der Schlossgeschichte Schlodiens und Carwindens vom Ursprung bis in unsere heutige Zeit verarbeitet. So zahlreiche Porträts sind abgebildet, wie sie in keiner Suchmaschine der Welt zu finden sind. Die diversen Innenansichten befruchten die Vorstellung, die man vom Leben in diesen Häusern bekommen kann und machen insbesondere im unmittelbaren Vergleich mit dem heutigen Zustand deutlich, was uns allen verloren gegangen ist. Neben den ausführlichen Chroniken von Schloss Carwinden und Schloss Schlodien gibt es ausführliche Beschreibungen ihrer Bewohner.
Da Schlodien erst 30 Jahre nach dem 2. Weltkrieg ausbrannte, hatten polnische Denkmalschützer noch rechtzeitig Gelegenheit gefunden, die Räume des Schlosses zu vermessen und insbesondere die Gestaltung der Decken genau zu kartographisieren. In Verbindung mit alten Innenansichten besteht deshalb die großartige Möglichkeit, aus der noch vorhandenen Ruine den ursprünglichen Zustand des Hauses zurück zu gewinnen. Ob das verwirklicht wird, bleibt abzuwarten.
In einem weiteren Kapitel des Buches beschreibt Ursula Gräfin zu Dohna den Park von Schlodien vom barocken Zustand des Anfangs bis in die Zeit vor dem 2. Weltkrieg und Elisabeth Dreischhoff, geb. Gräfin zu Dohna, gibt einen Erlebnisbericht von ihrer Jugendzeit im Park von Schlodien.
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Die Dohna-Schlösser Schlodien und Carwinden im preußischen Oberland, deren Kulturinhalte durch das Kriegsende und die Vertreibung 1945 ausgelöscht worden sind, gehörten zu den bedeutendsten Schlossanlagen der preußischen Kunst- und Architekturgeschichte. Sie sind in einer Reihe mit den großen Barockbauten zu nennen, die zur Zeit der beiden ersten preußischen Könige, Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I., entstanden sind: Friedrichstein, Schlobitten, Finckenstein oder Dönhoffstädt. Wie Schloss Friedrichstein, so ist auch Schlodien ein Werk des genialen Jean de Bodt, dem Architekten des Berliner Zeughauses.
Torsten Foelschs jüngst erschienene Monografie über diese beiden Schlossbauten bietet einzigartige Bilder und Geschichten aus der versunkenen Welt des ostpreußischen Adels. Eingebunden in die Familiengeschichte eine der berühmtesten ostpreußischen Adelsfamilien, der Grafen zu Dohna, werden zwei ihrer wichtigsten Schlösser zum ersten Mal auf Grundlage neuer archivarischer Forschungen dargestellt.
Neben vielen bislang nie publizierten, einmaligen historischen Außen- und Innenaufnahmen dieser Schlösser werden erstmals auch wertvolle Ahnenbilder vorgestellt, die von polnischen Kunsthistorikern und Museologen nach dem Krieg aus den gebrandschatzten und geplünderten Dohna’schen Schlössern geborgen wurden. In schwierigen Nachkriegsjahren konnten sie restauriert werden und sind der Öffentlichkeit heute in den neu eingerichteten Museen des Ermlandes und Masurens wieder zugänglich.
Das Buch ist ein wehmütiger und fesselnder Schwanengesang auf zwei ostpreußische Barockschlösser und ihre einstigen Bewohner – ein Erinnerungswerk an zwei herausragende Baudenkmäler, von denen immerhin Schlodien noch als Brandruine existiert.
(PAZ, 25. 7. 2014)
